Donnerstag, 28. März 2013

Verkehrte Welt: Kai Diekmann, Markus Grill, GermanOncology und Boulevardjournalismus im Magazin DER SPIEGEL

Verkehrte Welt: „Wenn Diekmann hier morgens seinen Computer einschaltet, dann stoßen zwei Welten zusammen, die eine, aus der er gekommen ist, die andere, in die er sich hineinbewegt“. So sieht das zumindest Matthias Geyer im aktuellen SPIEGEL (1). Die alte Welt des Kai Diekmann das sei der geölte Journalist. Die neue Welt das sei der bärtige Nerd - meint Matthias Geyer. Schaue ich mir an, was Bild.de und SPIEGEL-Medien so alles zu den Themen Gesundheit & Medizin von sich geben, so scheint sich die alte Welt in Hamburg und die neue Welt in Berlin zu befinden. „Health“-Themen werden bei Bild.de zwar für die Zielgruppe verkürzt und stark vereinfacht, haben jedoch fachlich oftmals ein hohes Niveau. SPIEGEL-Beiträge von Markus Grill wirken auf mich hingegen sehr oft wie der leicht ölige und stark schmierige Versuch, Mücken zu Elefanten aufzublasen. Diesen Eindruck hinterlässt bei mir auch der Grill-Artikel „Ausweitung der Profitzone“ (2) (3) über das neue Unternehmen GermanOncology. Zu viel heiße Luft ...
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Der Spiegel, Heft 13/2013
Ausweitung der (journalistischen) Profitzone: Was macht „Journalist, wenn Fakten alleine zu wenig auflagen- und profitsteigerndes Skandal-Potenzial haben? Aufblähen!
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Billig!
„Nicht für jeden ist die Diagnose Krebs eine schlechte Nachricht“, beginnt Markus Grill seinen Artikel über „lukrative Krebspatienten“ und behauptet, dass es für Apotheker „nichts Gewinnträchtigeres“ gäbe als „einen neuen Krebspatienten“

2 x „würde“: Würde nach der Einleitung ein solide recherchierter und fair dargestellter konstruktiv kritischer Bericht über Schwachstellen im Pharmageschäft folgen, dann würde ich mich fragen, warum der Autor seinen exzellenten Artikel mit solcherart durchsichtigen und suggestiven Formulierungen selbst entwertet. Grenzt so ein Stil nicht schon an Selbstsabotage? - Freuen sich Altenpfleger über jeden neuen Fall von Demenz und Inkontinenz, weil ihr Arbeitsplatz damit gesichert wird und sie weiterhin fleißig Windeln wechseln dürfen? Journalisten müssen zuspitzen, weil ihr eigener Profit auch davon abhängt, dass Leserinnen und Leser unterhalten und nicht gelangweilt werden. Aber muss es gleich so billig sein?

Billig!
Wer jetzt glaubt, dass sei nur ein kleiner Ausrutscher gewesen und der Rest des Grill-Artikels würde mehr durch Fakten und weniger durch manipulative Stilelemente überzeugen, der wird gleich im zweiten und dritten Absatz eines Schlechteren belehrt.

Markus Grill verweist auf die nicht wirklich neue Erkenntnis, dass das Geschäft von Apothekern auch von ihrem Verhältnis zu überweisenden Ärzten abhängt, um danach gleich die nächste suggestive und subtil abwertende Formulierung dranzuhängen. „Um solche einträglichen Verbindungen auf eine solide Baisis zu stellen ...“ Blablabla ... hatte ein Krebsarzt aus Köln eine Idee ... Blablabla ... und gründete die Firma GermanOncology.

Unglaublich aber wahr: Die ersten fast vierzig Zeilen von Markus Grills Artikel über das Geschäft mit „lukrativen Krebspatienten“ bieten Lesern in Hinblick auf Zahlen, Daten, Fakten so gut wie keine Substanz. Und doch können unbedarfte und leicht manipulierbare Leser bereits jetzt innerlich denken: „Diese Schweine, die Apotheker, die über Leichen gehen ... oder über Krebspatienten ... oder so ... egal.“ Ist das der geniale Stil, aus dem Journalisten-Preise hervorgehen?

Billig!
Okay, was sind schon ca. vierzig Zeilen eines Artikels. Vielleicht folgen Zahlen, Daten, Fakten und inhaltliche Substanz jetzt. Ja - ein klein wenig journalistisches Fleisch enthält der Artikel schon. Zum Beispiel die Erkenntnis, dass Krebstherapien kostspielig sind und sich mit dem Leid von Menschen tatsächlich Geld verdienen lässt - auch „skandal-journalistisch.

Mit solch einer Botschaft allein lässt sich jedoch kein Pulitzer-Preis gewinnen. Markus Grill könnte das geahnt haben, weshalb er - so mein Eindruck - zu einem Stilmittel griff, das schon seine Berichterstattung über den Schönheits-Chirurgen Werner Mang (4) aufpeppte. Ich meine das allgemeine Referieren über Delikte Dritter. Wenn die neue Firma GermanOncology „skandal-technisch“ schon nicht so richtig viel hergibt, dann kann man ja einmal dezent erwähnen, dass sich zumindest andere Unternehmen in der Branche verdächtig verhalten haben („Fülle von Ermittlungsverfahren“ ... Blablabla ... „gedeihliche Zusammenarbeit“ ... Blablabla ... „häufig über Schmiergeld“).

Dieses Stilelement scheint seine (rufschädigende) Wirkung nicht zu verfehlen. Was schrieb der Journalist Jürgen T. Widmer am 26.01.2013 unter www.schwaebische.de über den Schönheits-Chirurgen Werner Mang: „Keine Hinweise fand die Staatsanwaltschaft Kempten im Hinblick auf ärztliche Kunstfehler oder Urkundenfälschung. Diese Vorwürfe waren unter anderem in einem Artikel des Nachrichten-Magazins „Der Spiegel“ laut geworden.“ Im juristischen Sinne ist der Begriff „Vorwürfe“ nicht korrekt. Markus Grill hatte im Kontext von Werner Mang nur ganz allgemein über die Delikte Körperverletzung und Urkundenfälschung referiert (4) und so bei einem Kollegen den Eindruck hinterlassen, es hätte sich um Vorwürfe gehandelt. Den Chefredakteur des Magazins DER SPIEGEL scheint dieser Stil nicht sonderlich zu stören. Ich finde ihn ...

... billig!




Quellen:

(1) Der Lehrling, Matthias Geyer, DER SPIEGEL 13/2013

(2) Ausweitung der Profitzone, Markus Grill, DER SPIEGEL 13/2013

(3) Onkologen und Krebs-Apotheker gründen gemeinsame Firma, SPIEGEL ONLINE, 24.03.2013

(4) Markus Grill über den Schönheits-Chirurgen Werner Mang. Faktencheck von Jürgen T. Widmer in der Schwäbischen Zeitung, Claus Fritzsche, Faktencheck „Markus Grill“, 12.03.2013





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